Junge Bäume für einen uralten Weg

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Beim Betrachten alter Land- oder Flurkarten unserer Region und dem Vergleich der damals vorhandenen vielfältigen Landschaftsstrukturen (wie z.B. kleinen Feldgehölzen, Sand- und Lehmgruben, Steinbrüchen, Feuchtwiesen, frei mäandernden Bächen, Tümpeln oder Hohlwegen) mit den noch heute sichtbaren, wird deutlich, wie radikal sich das Antlitz unserer Heimat verändert hat. Vor allem infolge der sog. Kollektivierung der Landwirtschaft und der damit verbundenen Ausräumung der Feldflur sowie der systematischen Melioration ab ca. 1960, wurde die einst reich gegliederte und lebendige Landschaft zwecks Schaffung maschinengerechter Großschläge nivelliert. Nach 1990 beschleunigte sich die Zersiedlung der Dörfer durch die Anlage großer Eigenheim- oder Gewerbegebiete, denen ebenfalls alte Kulturflächen – Felder, Weiden und Streuobstwiesen – zum Opfer fielen. Der Straßenneubau und aktuell die Errichtung von Windkraftanlagen führen zu weiteren, tiefen Einschnitten in das Landschaftsbild. Doch auch der Mensch braucht für sein Wohlbefinden eine Umwelt, die nicht ausschließlich von Technik, Rentabilität und Zweckmäßigkeit bestimmt ist.

In Brahmenau hat sich ein bedeutendes Landschaftselement, welches zudem lokalgeschichtlich bemerkenswert ist, erhalten: Die „Culmer Hohle“; ein alter, schon nach 1800 auf Urkatasterkarten verzeichneter Hohlweg, der von Culm auf das Plateau des Wachhügels, von da aus als Feldweg, später z.T. als Straße weiter nach Wüstenhain oder Söllmnitz führt. Nur noch als flache Mulde im Feld ist die verfüllte Lehmgrube nördlich der Culmer Hohle, die zur Deckung des einst großen Bedarfs dieses vielseitig verwendeten Baumaterials diente, zu erahnen. Der Wachhügel, 283,5 m hoch und damit höchster Punkt in der Gemarkung Brahmenau, läßt schon vom Namen her erkennen, welche Bestimmung er einst hatte. Die Wege, die früher direkt über ihn führten, sind heute untergepflügt, die alte Feldscheune abgerissen.

Hohlwege sind alte Wege, die sich infolge jahrhundertelanger Benutzung durch Mensch, Vieh und Wagen tief in die Geländeoberfläche eingeschnitten haben. Die durch diese Belastung bedingte Bodenverdichtung verhindert das Versickern von Niederschlagswasser, welches daher vornehmlich oberflächlich abfließt und dabei Bodenteile wegspült, so daß eine stetige Wegvertiefung zu verzeichnen ist. Die Vegetation kann sehr variabel sein und reicht von nahezu vegetationslosen Rohboden- oder Gesteinsaufschlüssen über Gras- und Staudenfluren bis zu Gebüschen, Feldgehölzen oder Wäldern. Nach § 18 des Thüringer Naturschutzgesetztes sind Hohlwege, die mindestens 1 m tief eingeschnitten sind und an ihrer steilsten Stelle mehr als 30° Böschungsneigung aufweisen, einschließlich ihrer Steilböschung und der Streifen entlang der Böschungsoberkante, als „Besonders geschützte Biotope“ unter Schutz gestellt. Dies gilt generell ohne den Erlaß einer einzelnen Rechtsverordnung. – Warum?

Hohlwege sind v.a. als Lebensraum für Tiere und Pflanzen bedeutsam. Ca. 400 Tierarten sind auf diesen Biotoptyp mit seinem spezifischen Kleinklima angewiesen. Die Besiedlung ist abhängig von den herrschenden Bodenverhältnissen, der Steilheit der Wände und der Intensität der Sonneneinstrahlung. Rohbodenaufschlüsse sind ein wertvoller Lebensraum für Wildbienen, die in das lockere Hangmaterial Erdhöhlen graben oder bereits vorhandene Hohlräume als Nistplatz nutzen. Artenreiche Staudenfluren oder blütenreiche Sträucher sind ein wichtiges Nahrungshabitat für Tagfalter. Zudem ist die Krautschicht Lebensraum verschiedener Kleinsäuger wie der Waldspitz- oder Gelbhalsmaus, dem Maulwurf und dem Igel, von Reptilien, z.B. der Zauneidechse und Ringelnatter, oder Amphibien – wie dem Grasfrosch oder der Erdkröte. Der Baumbestand beherbergt eine Vielzahl von Flechten und Moosen. Für Fledermäuse sind die Hohlwege, insbesondere ihre Baumreihen, unentbehrliche Orientierungsstrukturen in der ansonsten ausgeräumten Feldflur. Die Baumhöhlen dienen ihnen als Sommerquartiere. Zahlreiche höhlenbrütende Vogelarten, wie z.B. unser Feldsperling, sind auf diese alten Bäume angewiesen.

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Die in der Culmer Hohle noch vorhandenen hochstämmigen Obstbäume, fast ausnahmslos Apfelbäume, lassen die vormalige Nutzung der Hangflächen deutlich werden. Neben dem Obstanbau wurden diese beweidet und zur Heugewinnung genutzt. Auch sind an mehreren Stellen die Auffahrten auf die höher gelegenen Felder zu erkennen. Infolge fehlender Nutzung und Pflege drohte ein allmähliches Verschwinden der alten Obstbäume, die der Culmer Hohle im oberen Bereich früher ein alleeähnliches Aussehen gaben. Gepflanzt wurden diese Bäume wahrscheinlich zwischen 1930 – 1950. Apfelbäume können bei günstigen Standortbedingungen und guter Pflege über 100 Jahre, Birnbäume bis 200 Jahre alt werden. Daher ist die Erhaltung alter Obstbäume und die Sorge um die Nachpflanzungen eine generationsübergreifende Aufgabe und Pflicht für das Gemeinwohl. Denn erst in ca. 20 Jahren werden diese 44 Apfel-, Birn- und Kirschbäume reichlich Früchte tragen. Mit den nun erfolgten Pflanzungen einschließlich der gesicherten mehrjährigen Pflege wird ein wertvolles Kulturlandschaftselement in seiner Struktur erhalten und verjüngt. Außerdem wurde eine vor Jahrzehnten beseitige Obstbaumreihe am westlichen Ende der Culmer Hohle neu angelegt und auf dem Plateau des Wachhügels Birnbäume nachgepflanzt. Bewußt wurden alte Obstsorten wie die Peters-, Pastoren- und Conference Birne sowie Williams Christ, bei den Äpfeln Gravensteiner, Luxemburger Renette oder Grahams Jubiläumsapfel gepflanzt, um zum Erhalt alter Obstsorten beizutragen. Die Pflege der Altbäume mittels fachgerechtem Erhaltungsschnitt ist für Anfang 2015 vorgesehen. Möglich wurde dies durch gemeinsame Bemühungen der Unteren Naturschutzbehörde Greiz, der Gemeinde Brahmenau und des NABU Gera-Greiz e.V., dem die Organisation und Projektkoordination oblag, um die Erfüllung dieses Generationenvertrages zu gewährleisten. Mit einer Spende zugunsten des NABU Gera-Greiz e.V. (IBAN: DE12 8305 0000 0000 0951 25, BIC: HELADEF1GER, Stichwort Culmer Hohle) können Sie die Fortführung dieser Arbeiten unterstützen. Später können Sie auf Wunsch für einen Obstbaum Ihrer Wahl eine Patenschaft zur Deckung der Pflegekosten übernehmen und dafür im Herbst das Obst Ihres Patenbaumes ernten. Weitere Informationen über die Natur im und um das Brahmetal und andernorts im Landkreis Greiz erhalten Sie in der vortrefflichen Broschüre „Natur erleben im Landkreis Greiz. Teil II“, die Sie in der Unteren Naturschutzbehörde Greiz (Dr.-Scheube-Straße 6 in 07973 Greiz, Tel. 03661/876-603, E-Mail: umwelt@landkreis-greiz.de) anfordern können.

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