Keine Entwarnung

Rote Listen Thüringens am 20.02.2012 vorgestellt

Keine sustantielle Verbesserung des Artenschutzes in Thüringen. Dieses (unausgesprochene) Fazit muß man nach der gestrigen Vorstellung (am 20. Februar) der Roten Listen Thüringens ziehen. Positive Beispiele, d.h. Arten, die zumeist Dank des permanenten Einsatzes ehrenamtlicher und hauptberuflicher Naturschützer positive Bestandstrends zeigen, können nicht über die gravierenden negativen Folgen der landwirtschaftlichen, infrastrukturellen etc. Sackgassenpolitik (nicht nur) in Thüringen hinwegtäuschen. Eine Fortsetzung u.a. der bisherigen Agrarpolitik ist dringend notwendig – aber momentan nicht in Sicht. Denn jenseits öffentlichkeitswirksamer Termine wie dem gestrigen ist das tatsächliche ministerielle Interesse für den Naturschutz gering …

[Zitatbeginn]Aktuelle Rote Listen für Thüringen: 40 Prozent der Arten gelten als gefährdet
Reinholz: „Bis 2020 die Hälfte aller vom Aussterben bedrohten Arten retten“

Quelle: thueringen.de/de/tmlfun/aktuell/presse/61905/uindex.html

In Thüringen gelten derzeit 40,8 Prozent der Tier- und Pflanzenarten sowie 51,2 Prozent der heimischen Pflanzengesellschaften als gefährdet. Das geht aus den aktuellen Roten Listen des Freistaats hervor. „Trotz einiger positiver Entwicklungen bleiben die Zahlen alarmierend. Deshalb muss es unser Ziel sein, bis 2020 mindestens die Hälfte aller in Thüringen vom Aussterben bedrohten Arten zu retten, so wie es unsere Biodiversitätsstrategie vorsieht. Dazu brauchen wir das Engagement aller“, sagte Umweltminister Jürgen Reinholz heute anlässlich der Vorstellung der Roten Listen.
Zwei Drittel der untersuchten Tier- und Pflanzengruppen weisen heute weniger gefährdete Arten auf als im Jahr 2001, so zum Beispiel Vögel, Libellen und Heuschrecken. Dagegen finden die Experten bei einem Viertel der Gruppen, wie bei Farn- und Blütenpflanzen, deutlich mehr gefährdete Arten als 2001 (plus 12,3 Prozent). Manche Bestände wie die der Fledermausart Kleine Hufeisennase haben sich dank intensiver Schutzbemühungen leicht stabilisiert.
Die Roten Listen werden alle zehn Jahre im Auftrag des Freistaats unter Federführung der Landesanstalt für Umwelt und Geologie für verschiedene Artengruppen erarbeitet. Für die aktuelle Fassung wurden knapp 17.000 Arten untersucht und nach bundesweit einheitlichen Kriterien in Gefährdungsklassen eingestuft. Die nötigen Daten wurden von hunderten, größtenteils ehrenamtlich tätigen Fachleuten erhoben.
Die im Oktober 2011 beschlossene Thüringer Strategie zur Erhaltung der biologischen Vielfalt hat das Ziel gesetzt, bis zum Erscheinen der nächsten Roten Listen im Jahr 2020 mindestens die Hälfte der heute vom Aussterben bedrohten Arten in ihren Beständen zu sichern. Dazu sind unter anderem Projekte des Arten- und Lebensraumschutzes und Förderprogramme für bedrohte Arten der Agrarlandschaft vorgesehen.

Anne Holl
Stellv. Pressesprecherin [Zitatende]


Naturschutzreport 26 – Rote Liste Thüringen

Quelle: tlug-jena.de/de/tlug/presse_und_service/publikationen/np/nr_26/content.html

Naturschutzreport 26
„Die Roten Listen Thüringens – Gefährdungskategorien und Gefährdung der Arten und Biotope
Der vorliegende Sammelband enthält 54 Rote Listen. Insgesamt 16.814 Arten (315 Wirbeltiere, 7.343 Wirbellose, 3.885 Pflanzen und 5.271 Pilze) 686 Pflanzengesellschaften und 76 Biotoptypen wurden hinsichtlich ihrer Gefährdung überprüft.
Die 93 Autoren sind die besten Kenner der Thüringer Tier- und Pflanzenwelt, die meisten sind Mitglieder ehrenamtlicher Fachvereinigungen, von denen die landesweiten Basisdaten erfasst werden.
Als in Thüringen gefährdet oder bereits ausgestorben wurden 3.455 Tierarten (45%), 1.903 Pflanzenarten (49%), 1.510 Pilzarten (29%), 351 Pflanzengesellschaften (51%) und 68 Biotoptypen (89%) in die Rote Liste aufgenommen.
Die Veränderungen zu den Roten Listen aus dem Jahr 2001 sind bei einigen Gruppen erheblich. Sie sind vor allem auf die methodischen Änderungen, einen verbesserten Kenntnisstand und nur zum Teil auf eine geänderte Gefährdungssituation zurückzuführen. Positive Entwicklungen wurden bei den Arten unserer Fließgewässer dokumentiert, die auf die deutlichen Verbesserungen der Wasserqualität reagieren (Mollusken, Libellen, Eintags-, Stein- und Köcherfliegen, Wasserkäfer). Durch einen Rückgang gefährdeter Arten zeichnen sich auch Flechten aus, meist infolge der Verbesserung der Luftqualität. Für mehrere Arten konnte die Bestandssituation auch durch Naturschutzmaßnahmen verbessert werden (Kleine Hufeisennase, Fischotter, Luchs, Schwarzstorch, Wanderfalke, Uhu). Ausgesprochen kritisch ist die Situation nach wie vor bei Arten, die an Lebensräume der Agrarlandschaft mit extremen Standortbedingungen gebunden sind, wie sehr trockene, nasse oder nährstoffarme Biotope.

Rote Listen in Thüringen
Obwohl bereits Ende des 19. Jahrhunderts mehrfach auf Verluste in der Thüringer Pflanzen- und Tierwelt hingewiesen worden ist, werden systematische Verzeichnisse der gefährdeten Pflanzen und Tiere Thüringens erst seit etwa 35 Jahren erarbeitet. Die Zusammenstellung Roter Listen hat für die Farn- und Blütenpflanzen die längste Tradition. Für diese Artengruppe wurde die erste Fassung bereits 1977 verfasst. Es folgten die Roten Listen gefährdeter Moosarten und Großpilze. Unter den Tiergruppen waren es die Tagfalter, für die 1990 eine erste Fassung erstellt wurde. Anschließend (1991) erschienen die Roten Listen der gefährdeten Libellen und Heuschrecken.

Da sich die Roten Listen mit der Zeit zu einem unersetzlichen Arbeitsmittel des Naturschutzes in Thüringen entwickelt hatten, veröffentlichte die damalige Thüringer Landesanstalt für Umwelt (TLU) 1993 einen nutzerfreundlichen Sammelband Roter Listen. Vor zehn Jahren konnte ein weiterer Sammelband veröffentlicht werden, der neben den Überarbeitungen bestehender Roter Listen viele weitere Artengruppen umfasste (TLUG 2001). Nach wiederum 10 Jahren kann nun der dritte Sammelband und bei einigen Roten Listen schon die vierte oder sogar fünfte aktualisierte Fassung vorgelegt werden.

Rote Listen sind wissenschaftliche Fachgutachten, die das aktuelle Ausmaß der Gefährdung von Arten und Lebensräumen bewerten und dokumentieren. Als Argumentations- und Entscheidungshilfe haben sie sich zu einem unersetzlichen Instrument der täglichen Naturschutzarbeit entwickelt. Ihr Erfolg beruht auf einem einfachen Kategoriensystem, das die komplexe Gefährdungssituation der heimatlichen Natur auf wenige leicht verständliche Stufen reduziert. Rote Listen sind ein Maß für den Zustand der Natur und für die Veränderungen der biologischen Vielfalt. Zudem geben sie wertvolle Hinweise auf die Ursachen des Wandels der biologischen Vielfalt.

Darüber hinaus ist die Bedeutung Roter Listen als Entscheidungshilfe und im Rahmen der Öffentlichkeitsarbeit des Naturschutzes hervorzuheben. In den letzten Jahren hat daneben die Erhaltung der biologischen Vielfalt als zentrales Ziel des Naturschutzes wesentlich an Bedeutung gewonnen. Der Freistaat Thüringen besitzt seit Oktober 2011 eine eigene Thüringer Strategie zur Erhaltung der biologischen Vielfalt. Die darin formulierten Ziele stützen sich u.a. auf die grundlegenden Informationen der Roten Listen Thüringens.

Die biologische Vielfalt wird allgemein in genetische Vielfalt, Artenvielfalt und Lebensraumvielfalt differenziert. Wenn Arten ausgerottet oder Lebensräume vernichtet werden, geht biologische Vielfalt unwiederbringlich verloren. Die Einschätzung der Gefährdung von Arten und Lebensräumen ist daher eine unverzichtbare Grundlage für alle Maßnahmen zur Erhaltung der Biodiversität. Rote Listen stellen eines der gebräuchlichsten "Messinstrumente" für die Veränderung der Biodiversität eines Raumes dar. Sie sind dementsprechend auch eine unverzichtbare Grundlage für die Festlegung von Maßnahmen zur Sicherung der Biodiversität.“

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