Schwierigkeiten mit der Wahrheit oder zweierlei Maß?
Der Präsident des Deutschen Bauernverbandes beklagt – zu Recht, möchte man meinen – den ungebremsten Flächenverbrauch in Deutschland, der natürlich auch zuungunsten der heimischen Landwirtschaft erfolgt. Was er jedoch tunlichst verschweigt, ist der nicht geringe 'Eigenanteil'
der industriellen Landwirtschaft am Flächenfraß, da die landwirtschaftlichen Betriebe nicht nur im Außenbereich von Dörfern und Gemeinden priveligiert, d.h. ohne nennenswerte Einschränkung, nach Herzenslust bauen dürfen. Insbeondere in Norddeutschland werden fast immer gegen den Widerstand der örtlichen Bevölkerungsmehrheit neue Biogasanlagen und riesige Tierfabriken incl. der zugehörigen Gülle-Speicher, Verbindungsstraßen und weiterer Infrastruktur gebaut. Riesige Siloanlagen liegen wie Fremdkörper in der Landschaft. Auch das profitable Geschäft mit der Windenergie wird gerne genutzt. In den Gewerbegebieten, die alle auf der grünen Wiese errichtet wurden, finden sich häufig großflächige Niederlassungen bekannter Agrarfahrzeugbauer. Bitter anzumerken ist auch die Versiegelung einst
lebensreicher Areale: Vielerorts wurden und werden die Feldwege, die nun als "landwirtschaftliche Wege" bezeichnet werden, asphaltiert!
In Thüringen ist sogar die staatliche Förderhöhe kommunaler Straßenprojekte im Dorfbereich an die Einbeziehung "landwirtschaftlicher Wege" gebunden: Wird der Feldweg mit einbezogen (sprich: asphaltiert), steigt die Förderung! Welche Gemeindevertretung wird oder kann hier in Anbetracht der oft schwierigen kommunalen Kassenlage ablehnen? Zum Schluß bekommt auch noch der ungeliebte Naturschutz sein Fett weg, sind doch Ausgleichs- und Ersatzmaßnahmen ebenso mit Schuld am Flächenverbrauch und damit landwirtschaftsfeindlich.
Sonnleitner zeigt sich als Meister der Lobby-Arbeit und ist offenbar unwillig, kritsch vor der eigenen Haustür zu kehren …
Konträr-kritische Denkanstöße hierzu finden sich u.a. im Heft "Studienarchiv Umweltgeschichte" Nr. 15 (2010), siehe auch www.iugr.net, wo Prof. Dr. Behrens u.a. im Hinblick auf o.g. Problematik vermerkt: "Dabei bleiben klassische Problemzusammenhänge aktuell, etwa die Rückkehr der industriellen Massentierhaltung, die in Ostdeutschland in der Zeit der 'Wende' weithin an Akzeptanz verloren hatte und wieder auflebt, in Ignoranz gegenüber den ethisch-moralischen, gesundheitlichen vor allem stofflich-energetischen Problemzusammenhängen dieser Tierp r o d u k t i o n oder –e r z e u g u n g , mit der die bäuerliche Tierh a l t u n g weltweit zum Untergang verurteilt ist – ein Prozess, der immer noch anhält. In all diesen Zusammenhängen wird bisher immer 'systemimmanent' agiert und diskutiert und zu selten die Frage nach einer im Sinne der Nachhaltigkeit erforderlichen "neuen" Arbeits- und Lebensweise und deren gesellschaftliche Konsequenzen gestellt" (S. 71).
Asphalt oder Getreide – Verlust von Landwirtschaftsflächen alarmierend
Quelle: www.bauernverband.de/index.php?redid=152813&mid=415639
Präsidenten Sonnleitner und Vogel starten Flächenverzehr-Uhr im Internet
Die Bauern in Deutschland haben zwischen den Jahren 1992 und 2009 über 780.000 Hektar landwirtschaftliche Fläche verloren, die für Wohn-,
Verkehrs- und Wirtschaftsbauten benötigt wurden. Hochgerechnet auf den Flächenertrag fehlt somit alle zehn Jahre eine komplette Getreideernte
in Deutschland. Auf dieses Problem für die Bauern und die Gesellschaft haben der Präsident des Deutschen Bauernverbandes (DBV), Gerd
Sonnleitner, und der Präsident Sächsischen Bauernverbandes (SLB), Wolfgang Vogel, aufmerksam gemacht. „Diese Flächen sind für die Erzeugung
von Nahrungs- und Futtermitteln oder auch zur Erzeugung von Bioenergie unwiederbringlich verloren“, betonte Sonnleitner anlässlich der
Festveranstaltung zum 20-jährigen Bestehen des Sächsischen Landesbauernverbandes in Weinböhla.
Gemeinsam starteten die beiden Präsidenten eine internetbasierte Flächenverzehr-Uhr, die den Flächenverbrauch im Freistaat Sachsen anzeigt.
Danach sind der sächsischen Landwirtschaft seit 1991 etwa 38.400 Hektar Nutzfläche verloren gegangen. Dies entspricht der Betriebsfläche von
rund 340 sächsischen Bauernhöfen mit einer durchschnittlichen Fläche von 113 Hektar je Hof. „Auf der verlorenen Fläche könnte die jährliche
Brotversorgung von vier Millionen Menschen und damit von allen Einwohners Sachsens sichergestellt werden“, betonte Präsident Vogel.
Vogel sagte weiter, dass die Gründe für den Flächenverbrauch zunehmend auch im Bau von Telekommunikations- und Energietrassen liegen würden.
Zusätzlich zu den Bauvorhaben würden landwirtschaftliche Flächen auch für naturschutzrechtliche Ausgleichmaßnahmen herangezogen, die zum
Beispiel beim Neubau von Straßen zu leisten seien.
Die Flächenverzehr-Uhr des Sächsischen Landesbauernverband finden Sie unter www.slb-dresden.de/flaechenuhr im Internet.